Ronny - wie alles begann

 

Ronny

wir... und damit meine 
ich insbesondere Ronny, meinen ersten Diensthund und mich, waren bei der Berliner Polizei zu einer Zeit im Einsatz, die heute, Jahre nach dem Fall der Mauer, gerne auch als "Nachwendezeit" bezeichnet wird.

Was im Taumel des Mauerfalls der 1990er Jahre sowohl in den Medien gelegentlich unter ging, bagatellisiert oder politisch bewuß tot geschwiegen wurde, war die unvorstellbar hohe Kriminalität und die Welle der Gewalt, die uns als Polizeibeamte auf Berlins Straßen entgegen schlug und von der die Polizei im Rest der wiedervereinigten Republik nicht zu täumen wagte.

Der Begriff des rechtsfreien Raumes machte die Runde, insbesondere im Ostteil der Stadt. Während einerseits die Maschinenpistole lange Zeit zur Standartausrüstung eines Streifenwagens gehörte, musste sich die gleiche Funkwagenbesatzung - kaum zu glauben aber wahr - im Ernstfall EINE Schussweste teilen.....und von den Ernstfällen  gab es damals wahrlich viele.... (!)

 

Bis Ende der 1990er Jahre war die Führung nicht in der Lage, all die Polizisten mit Schusswesten auszustatten, die tagtäglich die Dreckarbeit im wiedervereinigten Berlin verrichten mussten,....



...ein bis heute einmaliger Vorgang und nicht überbotenes Armutszeugnis an

Verfehlungen der Fürsorgepflicht und Unfähigkeit seitens der damaligen Verantwortlichen.

Zum Dank wurden uns Urlaubs - und Weihnachtsgeld gestrichen,...von der Berlin-Zulage, die bis zu diesem Zeitpunkt fester Bestandteil des Gehalts war, einmal ganz abgesehen. Erst Ende der 1990er Jahre erreichten die Polizeigewerkschaften gerade einmal die teilweise Rückerstattung des Kaufpreises privat beschaffter Schusswesten.



So wurde fehlendes Personal von Westberlin in den Ostteil der Stadt versetzt, oft genug gegen deren Willen.Die Laune war bei vielen Kollegen entsprechend und die Konflikte auf den Dienststellen zwischen "Ossis" und "Wessis" vorprogrammiert. Die waren in den ersten Jahren so unvorstellbar, dass man damals sogar auf einer Dienststelle im Osten Berlins, einen getrennten Aufenthaltsraum einrichtete nachdem eine Hundertschaft eine Schlägerei zwischen Ost- und Westpolizisten schlichten musste.

Ehemalige Volkspolizisten der DDR mussten sich damals die Frage stellen: ... gehen oder ... bleiben ... (?!) ; die Entscheidung traf nicht selten die damalige STASI-Unterlagen-Behörde (Gauck-Behörde).

 

Mancher wurde bis zum heutigen Tag nicht entdeckt oder trotz fragwürdiger Vergangenheit geduldet.

Die Sowjetarmee bereitete ihren Abzug vor und mancher Rotarmist entzog sich der Heimreise durch Fahnenflucht.

 

Die Folge war ein unvorstellbarer Anstieg von Straftaten aller Art, die in ihrer kriminellen Energie und Brutaltität noch heute ihresgleichen suchen. 

Das rechte Nazi-Pack kroch von nun an vermehrt aus seinen Löchern, patroullierte ungeniert zu Fuß oder im Auto - meist bei Nacht - auf den Straßen Ostberlins und knüppelte mit Baseballschlägern alles nieder, was nicht ihrem kranken Weltbild entsprach.

Die Jagd auf das kahlköpfige Nazi-Pack wiederum, wurde von uns gelegentlich auch als  "Glatzen(auf)klatschen"  bezeichnet, was zugegebenermaßen, hin und wieder höllischen Spass bereitete.

Und obwohl die Berliner Polizei im Vergleich zu den Kollegen der restlichen Republik damals schon gnadenlos unterbezahlt war, bildeten sich auf den Dienststellen bunt zusammengewürfelte Haufen.

Trotz anfänglicher Schwierigkeiten entstanden verschworene Schicksalsgemeinschaften, insbesonderer auf den Ost-Berliner Dienststellen, bestehend aus Freiwilligen und unfreiwilligen, strafversetzten" West-Berliner Kollegen, die man dort aus den unterschiedlichsten Gründen los werden wollte, aus ehemaligen Volkspolizisten und unerfahrenen Polizeischülern im Praktikum. Es war der Umbruch schlechthin, der insbesondere in Berlin, der ehemaligen  "Frontstadt" des Kalten Krieges, von den Polizeibeamten restlos ALLES abverlangte und sie nicht selten an die Grenze der Belastbarkeit brachte.
Der Pioniergeist und das Gefühl des Aufbruchs in eine neue Zeit waren es, was uns alle dennoch weiter machen lies....

                   ... und dabei wurde improvisiert was das Zeug hielt ....







Fahrzeuge der ehemaligen Volkspolizei der DDR der Marke Trabant, Lada, Barkas oder Wartburg die die Farbe nicht wert waren, versuchte man auf West-Standard zu "trimmen", wohl wissend, dass sich unter dem neuen grün-weißen Lack eigentlich Schrott befand. Diese Fahrzeuge wurden die ersten Jahre nach dem Mauerfall im knallharten Polizeialltag eingesetzt und waren aus dem Strassenbild, hauptsächlich im Osten Berlins, nicht weg zu denken. Einsatzfahrten mit Trabbi und Co. waren für zarte "West-Seelen" anfänglich ebnso hammerhart wie die Einsätze selbst. Nicht selten schlug uns schallendes Gelächter seitens der Bevlökerung entgegen...im schlimmsten Fall ernteten wir jedoch mitleidige Blicke.

Aber alles Jammern nutze nichts, insbesondere wir Wessis mussten da durch ... die Ost-Kollegen waren das ja seit Jahrzehnten schon gewohnt....

 

  Ostberlins Architektur in den 1990er Jahren

 

 

Die Fahrzeugbesatzungen bestanden anfänglich aus einem degradierten "Ossi" der die ersten Monate seine alten Ost-Klamotten (Uniform) auftragen musste, so wie einem nicht selten unerfahrenen "Wessi", den man meist an seiner Lederjacke erkannte und der aufgrund mangelnder Ortskenntnisse ohne "seinen Ossi" wahrscheinlich nie am Einsatzort eingetroffen wäre.

Nicht nur weil es im Osten der Stadt komplette Wohngebiete gibt, die mit einem einzigen Strassennamen bezeichnet sind, sondern weil sich aus dem Blick des ungeübten Betrachters und dank des sozialistischen Wohnungsbaus, beinahe alle Hochhäuser ähnlich sehen.

 

Die Berliner Polizei war (und ist es noch heute) trotz widrigster Arbeitsbedingungen, im Vergleich zu den Kollegen der restlichen Bundesrepublk, nicht nur gnadenlos unterbezahlt. Sie hatte sogar, so unglaublich es klingt, laut Aussage eines hohen Gewerkschaftsfunktionärs, bis weit nach dem Jahr 2000 die schlechteste Ausstattung im europaweiten Vergleich - nur die albanische Polizei war damals ausstattungsmäßig rückständiger.

An der schlechten Bezahlung und der manghelhaften Ausrüstung, hat sich in Berlin im bundesdeutschen Vergleich nichts geändert - darüber täuscht auch die moderne blaue Uniform nicht hinweg.

 

 Zitat:

"Will man einen Garten düngen, reicht es nicht wenn man durch den Zaun furzt".

 (Marcel Reich-Ranitzki)

 



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